Café literario: Herejes (Leonardo Padura)
Das nächste Café literario stellt einen weiteren Roman des kubanischen Schriftstellers Leonardo Padura mit seiner herzlichen, melancholischen Hauptfigur Mario Conde -ehemals Polizist, nun Antiquar und gelegentlicher Detektiv- vor. Herejes (Ketzer, Unionsverlag 2014, deutsch von Hans-Joachim Hartstein) ist ein sehr anspruchsvoller Gesellschafts- und historischer Roman, bei dem drei miteinander verwobene Erzählstränge eindrucksvoll 350 Jahre jüdischer und Weltgeschichte schildern. Wieso taucht 2007 ein bislang verschwundenes Christusporträt von Rembrandt bei einer Londoner Auktion auf? Das Gemälde gehörte ursprünglich der jüdischen deutsch-polnischen Familie Kaminsky, deren Mitglieder mehrheitlich 1939 mit dem Dampfer Saint Louis zusammen mit 900 weiteren verzweifelten Passagieren vom Hafen Havannas zurück ins nationalsozialistische Europa und in den Tod geschickt wurden. Das Buch untersucht den Anteil an Zivilcourage und „Ketzerei“, die notwendig sind, um den menschlichen Drang nach Freiheit auszuleben. Er veranschaulicht dies im liberalen, kosmopolitischen Amsterdam des 17. Jahrhunderts (das „Neue Jerusalem“ der Sephardim), in Havanna kurz vor und nach der Revolution von 1959, im Milieu der jüdischen Exilkubaner Miamis sowie in dem der Jugendlichen der urban tribes Havannas unserer Zeit, die ein Leben am Rande der Gesellschaft versuchen. In diesem Buch geht es um Entwurzelung und anderen schmerzhaften, sehr aktuellen, durch Fanatismus verursachten Verlusten. Sie und deren Erlösung werden leidenschaftlich erzählt.
Unter der Leitung der Literaturwissenschaftlerin Raquel García-Borsani werden einige Passagen vorgelesen und relevante Aspekte des Romans innerhalb des literarischen Schaffens Paduras sowie seine Ausarbeitung, Struktur und Hauptthemen behandelt. Mögliche Interpretationen sollen im Austausch mit den Teilnehmer*innen gewagt werden.