Nach dem Fall der Berliner Mauer galt Spanien in den 1990er Jahren als Vorbild für einen gelungenen Übergang zur Demokratie. Im Land selbst allerdings geriet die transición, zu deren Geschäftsbedingungen die Einbindung der alten Eliten gehört hatte, zunehmend in Misskredit. Trotz erfolgreicher europäischer Integration, und befeuert auch durch die internen Autonomiekonflikte, hadert die spanische Gesellschaft nach wie vor mit ihrer nationalen Vergangenheit. Die Finanzkrise von 2008 wiederum beendete jenes Wohlstandsversprechen, welches für einige Zeit verlässlich als sozialer Kitt gewirkt hatte. Andererseits bewirkte gerade die ökonomische Krisenerfahrung breiter gesellschaftlicher Schichten eine lebendige und engagierte Zivilgesellschaft, die in Europa ihresgleichen sucht.
Vor dem Hintergrund dieser ganz besonderen Konstellation erscheint es lohnenswert, nicht nur die jüngere spanische Demokratiegeschichte noch einmal Revue passieren zu lassen, sondern auch aktuelle Beiträge aus Spanien zur Revitalisierung des demokratischen Denkens zu präsentieren. Die Gastrolle Spaniens bei der Frankfurter Buchmesse 2022 ist Anlass für eine Kooperation von Instituto Cervantes und Institut für Sozialforschung, die der Tatsache Rechnung trägt, dass entscheidende Impulse für die spanischen Demokratisierungsbewegungen – damals wie heute – aus der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule stammen.