Das Mysterium des Metronoms Beethovens
Während des größten Teils der Geschichte der westlichen klassischen Musik war das Tempo, also die Geschwindigkeit, in der die Musik gespielt werden sollte, in den Parti-turen nicht angegeben. Im Allgemeinen wurde sie als aus dem musikalischen Kontext ersichtlich betrachtet. Das Metronom, ein Gerät zur genauen Messung und Quantifizie-rung dieses musikalischen Tempos, wurde erst 1815 patentiert. Beethoven begrüßte die Erfindung mit Begeisterung und ging sogar so weit, dass er seine acht bis dahin ver-öffentlichten Sinfonien vermaß und mit neuen Markierungen versah. Das große Paradoxon an dieser Geschichte ist, dass diese Markierungen trotz Beethovens Engagement nicht zur Klärung des Tempos seiner Musik beigetragen ha-ben. Im Gegenteil – seit ihrer Veröffentlichung sind sie sehr umstritten: Viele Interpre-ten halten sie für unmusikalisch oder sogar für zu schnell, um sie zu spielen. Die um-strittenste und faszinierendste Erklärung ist diejenige, die sich auf die Funktionsweise des Metronoms selbst konzentriert. Immerhin besaß Beethoven eines der ersten Exemplare eines neu erfundenen Geräts. Es gibt dokumentarische Belege dafür, dass der Komponist die Uhr mindestens zweimal zum Uhrmacher bringen musste, weil sie sich instabil verhielt. Könnte es sein, dass sie aufgrund eines mechanischen Schadens langsamer wurde und Beethoven dadurch gezwungen war, schnellere Taktarten zu wählen, als er eigentlich beabsichtigte?